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Der Berglöwe beißt zu

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Es ist noch nicht so lange her, da haben wir im Rahmen der Aktion Classic Camera die Rezeptur eines Negativ-Entwicklers aus den 1910er Jahren „nachgekocht“. Heraus kam „etwas“ was wir unter dem Namen CCD #211 verkaufen. Ein historischer Entwickler, der uns immer wieder von Neuem erstaunt. Intern nennen wir die „Suppe“ bereits Berglöwe, weil sein Urvater ein Alpen-Fotograf war, der mit seinen Landschaftsbildern sein Auskommen gefunden hatte und mit seinen Bildern den Lebensunterhalt für sich und seine Familie bestreiten konnte. Wir haben schon festgestellt, dass die „alten Fotografen“ eine Menge drauf hatten. Bei jeder neuen Filmentwicklung mit diesem Entwickler entdecken wir neue Feinheiten. Und jetzt haben wir es auf die Spitze getrieben und einen „Ilford Pan F“ auf ISO 320 entwickelt – mit dem „Berglöwen“ CCD #211. Und als wir die Negative aus der Dose geholt haben: einfach Wow! Der CCD #211 macht seinem Spitznamen „Berglöwe“ alle Ehre, denn der Berglöwe beißt zu, wenn er herausgefordert wird. Nun aber der Reihe nach.

Die Vermutung hatten wir schon lange

Wir haben es schon länger vermutet – mit unserer Einschätzung, dass das Ursprungsrezept für eine Arbeitslösung stand, lagen wir falsch. Je mehr wir uns in der praktischen Fotografie mit dem CCD #211 beschäftigen, um so mehr lernen wir die besonderen Eigenschaften des „Berglöwen“ zu schätzen. Historischer Entwickler trifft auf moderne Filmmaterialien. Und wenn es darauf ankommt, beißt der Berglöwe gewaltig zu.

Mutmaßung und Realität

Tests im Labor sagen letztendlich doch weniger als die halbe Wahrheit. Das müssen wir beim CCD #211 deutlich erkennen. Nach unserer Einschätzung zum Konzentrat gewandelt, war der Entwickler in der Verdünnung 1+14 schon begeisternd. Jetzt zeigt sich, dass die Verdünnung 1+14 aus dem historischen Entwickler einen echten „Rennwagen“ macht und höhere Verdünnungen mehr Volumen in die Negative bringen. Mittlerweile haben wir die Verdünnung 1+19 ausgetestet und ins Datenblatt gebracht, zurzeit experimentieren wir mit der Verdünnung 1+24 und höher. Der „Berglöwe“ wird dabei immer besser – längere Entwicklungszeiten zahlen sich aus. Trotz Begeisterung für höhere Verdünnungen haben wir jetzt einmal in der Praxis ausprobiert, was der CCD #211 aus einem „Ilford Pan F“ macht, der bis ISO 320 hochgezogen wird. Ja, der Berglöwe beißt zu, verhält sich dabei aber erstaunlich gesittet. Widersprüchlichkeiten, die sich in Bildern vereinen.

Hart, klar und ohne Korn

Auch in der extremen Push-Entwicklung zeigt der CCD #211 was er kann. Die Negative sind klar, zeigen die zu erwartende Härte mit gleichzeitig wundervollen Grautönen. Das Bemerkenswerteste ist jedoch seine Feinkörnigkeit. Immerhin, beim verwendeten Film handelt es sich um den „Ilford Pan F“ mit einer Nennempfindlichkeit von ISO 50. Angesichts dieser niedrigen Nennempfindlichkeit sind die Bildergebnisse bei einem Push auf ISO 320 ein kleines Wunder.

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Der Berglöwe beißt zu und wirft alle Mutmaßungen über den Haufen

Bildergebnisse wie diese werfen alle Mutmaßungen und Lehrbuchweisheiten über den Haufen. Wohl gemerkt, beim „Berglöwen“ CCD #211 handelt es sich um eine Rezeptur, wie sie in den 1910er Jahren verwendet wurde. Waren vielleicht die Fotografen vor über 100 Jahren gar nicht so lichtschwach ausgestattet, wie wir heute vermuten? Hatten die „Alten“ möglicherweise mehr DIN, ASA oder ISO (egal wie man es nennt) zur Verfügung, als wir heute annehmen? Sind wir bei den Forschungen in der Aktion Classic Camera an einen Punkt gekommen, die vergessenes und verschüttetes Wissen wieder ausgräbt und dabei hilft, die Fotografie vor 100 Jahren besser zu verstehen?

Classic Camera lässt uns historische Fotografie neu begreifen

Schon vor längerer Zeit haben wir die Artikel-Serie ISO-Werte im Spiegel der Zeit veröffentlicht. Schulbuchwissen, gestützt auf die aktuelle Literatur. Nun lässt sich vermuten, dass diese Erkenntnisse für die Amateurfotografie richtig waren. Professionelle Fotografen hatten andere Mittel zur Verfügung, wie zum Beispiel einen Entwickler der dem CCD #211 ähnlich war, um aus den zur Verfügung stehenden Filmmaterialien mehr Lichtempfindlichkeit heraus zu holen.

So langsam erklären sich die Aufnahmen von Erich Salomon, Martin Munkácsi und Umbo (Otto Maximilian Umbehr), aber auch die eindrücklichen Bildwerke der Olympiade 1936. Oftmals in schlechten Lichtverhältnissen aufgenommen, war es eigentlich nicht anders möglich, als das vorhandene Filmmaterial sehr stark zu pushen. Und wirklich, mit dem CCD #211 haben wir einen Entwickler, der genau das in Perfektion kann und dabei exakt den Bildausdruck der damaligen Zeit widerspiegelt. Wir empfinden das als kleine Sensation und können uns nur vor dem Können der „Alten“ verbeugen.

Für tiefere Erkenntnisse braucht Classic Camera Mithilfe

Es ist eine große Sache, die Fotografie (wie wir sie heute kennen und bewundern) von der Wurzel an zu begreifen. Wir forschen und probieren. Abseits von betriebswirtschaftlichen Sachzwängen bringen wir schon eine Menge ein – es macht Spaß und bringt so manche neue Erkenntnis. Aber da gibt es auch die erwähnten Sachzwänge, die uns immer wieder ausbremsen. Es wäre gut, wenn noch mehr Fotografen uns bei der Erforschung der Wurzeln der Fotografie unterstützen. Zum Beispiel mit dem weiteren Erproben des „Berglöwen“ CCD #211. Deshalb unser Aufruf: Testet und „spielt“ mit dem CCD #211, teilt uns Eure Erkenntnisse mit, erforscht mit uns die Schwarzweiß-Fotografie wie sie vor 100 Jahren gepflegt wurde. Dabei ist unerheblich, ob frische oder alte Filme verwendet werden – die exakten Rahmenbedingungen der 1910er und 1920er Jahre werden wir nicht nachstellen können. Aber auf jeden Fall werden wir begreifen und erleben können, wie sich die Fotografie vor 100 Jahren zu dem entwickeln konnte, was wir heute kennen. Und wir werden wahrscheinlich einen neuen Blick auf die fotografischen Spitzenleistungen der „alten“ Fotografen erhalten.

Der Beitrag Der Berglöwe beißt zu erschien zuerst auf Spürsinn • Der analoge Fotoladen.


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